Durch Raum und Zeit

Wir haben den Bahnhof Beucha mit Bild- und Texttafeln zum Thema „Zeit“ ausgestattet. Den Anlass dazu lieferte die Deutsche Bundesbahn, die in einem Schreiben an den jetzigen Eigentümer des von ihr verkauften Objektes verlangte, die am noch Gebäude befindliche Bahnhofsuhr (die vor Jahren von der Deutschen Bundesbahn „stillgelegt“ wurde) wieder in Betrieb zu setzen.

Aus Spaß am Nonsens und auch ein wenig aus Trotz gegen derartig, nun ja, seltsame Ansprüche, haben wir ein Kunstprojekt daraus gemacht, bei dem wir auch einen namhaften Unterstützer und Mitstreiter fanden; der Klangkünstler Erwin Stache baute die Uhr derart um, das sie nun als Kunstprojekt mal vorwärts, rückwärts oder garnicht geht. Das Duo JuezzBox sorgte zur Eröffnung für passende musikalische Untermalung; mit der Loopstation erzeugten die beiden Musiker ohrenschmeichelnde „Zeitschleifen“

 

Der Bahnhof Beucha als Dimensionsportal für Reisende im Hyperraum oder Einige Gedanken zur Natur der Zeit

Der Lauf der Gestirne und periodisch wiederkehrende Naturereignisse bestimmen seit Anbeginn das Leben der Menschen. So glaubt eigentlich jeder zu wissen, was Zeit ist. Bei genauerer Betrachtung jedoch entzieht sie sich dem Denken, wird zu einer subjektiv und von jedem anders empfundenen Größe und erweist sich als kompliziertes Phänomen unseres Universums.

Was also ist die Zeit? Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich‘s will ich‘s aber einem Fragenden erklären, weiß ich‘s nicht. Augustinus von Hippo (354 bis 430), Kirchenlehrer und Philosoph

 

Zeit-Synchronisation

Genaue Zeit an jedem Ort – was für uns heute selbstverständlich ist, existiert erst seit gerade mal 150 Jahren. Treibende Kraft der Zeitsynchronisation im Wilhelminischen Kaiserreich war der Astronom Wilhelm Foerster. Gemeinsam mit Freund Werner von Siemens und Hermann von Helmholtz gehörte er zu den Mitbegründern der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt. In Preußen wurde die Normalzeit von der Königlichen Sternwarte zu Berlin festgelegt, deren Direktor Foerster von 1865 bis 1904 war. Foersters ehrgeiziges Ziel war ein System öffentlicher Uhren im Stadtgebiet Berlins, die die Zeit sekundengenau anzeigten. Alle zwei Sekunden erhielten die Pendel der öffentlichen Uhren von der Präzisionsuhr in der Sternwarte einen elektrischen Impuls. Auf diese Weise sollten die Pendel der Nebenuhren synchron schwingen und die gleiche Zeit wie die Sternwartenuhr anzeigen. Doch entgegen der Erwartungen hatte sich der Astronom Förster mit den öffentlichen Zeitanzeigen ein neues Problem geschaffen. Die chronische Unzuverlässigkeit und die Kontrolle der überall im Stadtgebiet befindlichen Uhren sollten ihn über Jahrzehnte beschäftigen.

Überregionale Zeitübertragung

Foerster kämpfte aber nicht nur für einen einheitlichen Gang aller öffentlichen Uhren in Berlin, sondern trieb auch die überregionale Verteilung der Mitteleuropäischen Zeit voran, die von der Sternwarte Berlin ermittelt wurde. Wilhelm Julius Foersters „Normal-Zeit GmbH“ überall dorthin die amtliche Zeit, wo es ein Telefon gab. Auch die Stadtuhrenanlagen in vielen anderen deutschen Städten wurden so indirekt vom Regulator in der Berliner Sternwarte gesteuert. Zur Übermittlung der Zeit hatte das Unternehmen vom Reichs-Postamt die Erlaubnis zurNutzung der Telefonleitungen erhalten und darüber hinaus von der Reichsbahnverwaltung das Recht zur Übertragung der Zeitsignale über die Telegraphenleitungen entlang der Eisenbahn. Im Gegenzug für die Bereitstellung der Telegrafenlinien entlang der Schienen übermittelte die Normal-Zeit GmbH jeden Morgen die korrekte Zeit an die Reichsbahn-Zentraluhr auf dem Schlesischen Bahnhof in Berlin. Die Hauptuhr im Schlesischen Bahnhof wiederum sendete täglich ein Zeitsignal, das mit einer durchschnittlichen Abweichung von 1/3 Sekunde entlang der Telegraphenlinien empfangen wurde und zum Stellen der Bahnhofsuhren diente. An allen Bahnhöfen in ganz Deutschland wurde so die von der Berliner Sternwarte ermittelte Mitteleuropäische Zeit angezeigt.

 Zeit ist relativ

Jahrhundertelang war vielen klar: Die Zeit verläuft überall gleich – sie ist absolut. So hatte es auch Isaac Newton, einer der Urväter der modernen Physik, postuliert. Doch 1905 stellt Albert Einstein diese These auf den Kopf: Der Takt der Zeit hängt vom Beobachter ab. Die Zeit kann unterschiedlich schnell fließen, sie ist relativ. So müsste eine Uhr in einem Zug aus dem Blickwinkel eines ruhenden Beobachters, der vom Bahnsteig aus durch die Fenster in den Zug schaut, langsamer ticken als die Bahnhofsuhr in seiner Umgebung. Für den Reisenden im Zug selbst hingegen vergeht die Zeit unverändert. Klingt verrückt, ist aber experimentell bewiesenworden. 60 Jahre später konnten Wissenschaftler den Effekt der „Zeitdilatation“ mit Hilfe hochpräziser Cäsium-Atomuhren nachweisen. Zum Glück beeinflusst die Zeitdilatation den Bahnverkehr nur relativ wenig …